Die sichere und präzise Erkennung von Krankheiten ist die Voraussetzung für eine zielgerichtete und erfolgreiche Behandlung. In diesem Modul stellen wir die wichtigsten Krankheiten anhand aussagekräftiger Bilder vor, um das Auge für die Diagnose zu schulen, und beschreiben die Symptome am Tier. Außerdem sind Hinweise zu Ursachen und Behandlungsweise enthalten. Der neue ICAR-Diagnoseschlüssel, der die präzise Dokumentation der Klauenerkrankungen während der Klauenpflege erleichtert, wird vorgestellt und steht am Seitenende zum Download zur Verfügung.
Klauenrehe – eine Krankheit, viele Gesichter
Die Klauenrehe ist eine Stoffwechsel- und Durchblutungsstörung der Wandlederhaut, die sich als nicht-eitrige Entzündung zeigt. Klauenrehe kann einen akuten, subklinischen oder chronischen Verlauf nehmen. Viele Folgeerkrankungen lassen sich auf ein Rehegeschehen zurückführen.
Was sind die Ursachen?
Hauptursache für die Klauenrehe ist eine unausgewogene Fütterung, die zu Fehlgärungen im Pansen (Pansenübersäuerung) oder ketotischen Zuständen als Folge von Energiemangel führt. Es werden vermehrt schädliche Substanzen (Toxine) gebildet. Diese gelangen ins Blut und schädigen die stark durchblutete, hornbildende Lederhaut. Die Hornbildung wird gestört. Die sensible Phase rund um den Geburtszeitraum stellt durch massive Stoffwechselveränderungen und entzündliche Vorgänge in der Gebärmutter ebenfalls eine Risikophase dar. Auch hier schädigen die gebildeten Toxine die Lederhaut. Ein begünstigender Faktor für eine Klauenrehe ist zudem eine dauernde Überlastung der Klauen durch harte Laufwege und lange Stehzeiten.
Was sind die Folgen?
In Folge der Stoffwechselstörung der Lederhaut kommt es zur mangelhaften Versorgung der hornbildenden Oberhaut mit Nährstoffen. Es kann nur noch minderwertiges, wenig belastbares Horn gebildet werden. Dadurch wird der Weg für Folgeerkrankungen wie Sohlenblutungen (s. Foto 1) als Vorstufe von Geschwüren, doppelte Sohlen oder Weiße-Linien-Defekten geebnet. Es dauert allerdings 6 Wochen bis 3 Monate, bis diese an der Klaue sichtbar werden.


Die subklinische Rehe ist erst im Nachhinein von außen anhand der oben beschriebenen Folgeerkrankungen sichtbar. Bei einer akuten und klinischen Rehe zeigen die Tiere eine plötzlich auftretende starke Lahmheit, hervorgerufen durch die hochgradige Entzündung der empfindlichen Lederhaut. Sie stellen die betroffenen Gliedmaßen oft “unter“ den Körper, um die Klauen zu entlasten. Die Gefäße am Fuß pulsieren, der Kronsaum ist angeschwollen und die Gliedmaße ist häufig vermehrt warm. An der Klaue selber müssen noch keine Veränderungen sichtbar sein. Werden die verursachenden Faktoren nicht abgestellt, nimmt die Klauenrehe einen chronischen Verlauf.
Bei einer chronischen Rehe löst sich die enge Verzahnung von Klauenlederhaut und Horn v.a. im Wandbereich. Das Klauenbein senkt und dreht sich im Hornschuh. Die Vorderwand der Klaue neigt sich nach innen (s. Foto 2). Durch unregelmäßige Wachstumsphasen des Horns kommt es zu den typischen waagerechten Rillen in der Klauenwand. Die chronische Klauenrehe begünstigt die Entstehung weiterer Klauenerkrankungen wie Sohlengeschwüre.
Was kann man dagegen tun?
Die wichtigste Maßnahme ist das Abstellen der auslösenden Faktoren. Die Fütterung muss hinsichtlich der Energieversorgung und des Rohfaser- und Proteingehaltes überprüft werden. Ebenso sollten Haltungsbedingungen und Management kontrolliert werden. Sind Einzeltiere betroffen, ist der Auslöser meist ein Entzündungsgeschehen im Körper der betroffenen Kuh, zum Beispiel in der Gebärmutter nach der Kalbung. Dieses muss vom Tierarzt diagnostiziert und behandelt werden. Die Folgen einer subklinischen oder chronischen Rehe müssen durch einen therapeutischen Klauenschnitt eingedämmt werden. Insbesondere Druckstellen müssen entlastet werden. In schweren Verläufen ist der Einsatz von Polsterverbänden erforderlich. Neigungen in der Vorderwand werden vorsichtig und fachgerecht korrigiert. Wie Folgeschäden der Rehe behandelt werden, finden Sie bei der Beschreibung der jeweiligen Erkrankung.
Nicht-infektiöse Erkrankungen
Nicht-infektiöse Klauenkrankheiten entstehen oft infolge einer Klauenrehe. Aber auch traumatische Ursachen spielen eine Rolle. Insbesondere ein starker Abrieb der Klauen aufgrund rauer Laufflächen, Überlastung durch lange Stehzeiten und unebene oder steinige Laufwege sind hier hervorzuheben. In der nachfolgenden Grafik sind die wichtigen nicht-infektiösen Klauenerkrankungen ihrer Lokalisation an der Klaue zugeordnet. Für mehr Informationen und Fotos einfach mit der Maus über die Klauenskizze fahren und auf die farbig unterlegten Bereiche klicken!
Infektiöse Erkrankungen
Infektiöse Klauenkrankheiten sind ansteckend und werden von Tier zu Tier übertragen. Risikofaktoren sind feuchte Laufgänge, ein feucht-warmes Klima sowie Verschmutzungen an den Klauen, vor allem im Bereich des Zwischenklauenspaltes. Die Hygiene im Betrieb spielt eine große Rolle, aber auch Häufigkeit und Qualität der Klauenpflegemaßnahmen. In der nachfolgenden Grafik sind die wichtigen infektiösen Klauenerkrankungen ihrer Lokalisation an der Klaue zugeordnet. Für mehr Informationen und Fotos einfach mit der Maus über die Klauenskizze fahren und auf die farbig unterlegten Bereiche klicken!
ICAR-Diagnoseschlüssel
Der neue ICAR-Diagnoseschlüssel beinhaltet neben den oben vorgestellten wichtigsten Erkrankungen noch einige mehr. Er deckt alle krankhaften Veränderungen der Klauen ab. Der Schlüssel ist mit Hilfe einer Nummerierung der Krankheiten hierarchisch aufgebaut, um Zusammenhänge zu verdeutlichen (s. Abbildung 1). Das vereinfacht Diagnose und Dokumentation und führt zu einer effizienteren Behandlung der Tiere. In der neuen, im Rahmen von KLAUENfitnet entwickelten Version des Dokumentationsprogrammes KLAUE von dsp Agrosoft ist der neue Schlüssel bereits hinterlegt.


Die zitierte und verwendete Literatur finden Sie im Impressum.