
Warum hat die Körpertemperatur bzw. die Thermoregulation einen Einfluss auf die Klauengesundheit? Wie kann Hitzestress erkannt werden und wie kann dieser kontrolliert oder sogar reduziert werden? In diesem Modul wird genauer auf die Thermoregulation der Milchkuh eingegangen. Das Modul soll helfen, Risiken durch Hitzestress zu erkennen und zu vermeiden.
Laktierende Kühe haben eine enorme Stoffwechselleistung, bei der viel Wärme entsteht. Diese können sie nur über die Haut abgeben. Der Wohlfühlbereich einer Milchkuh, die sogenannte thermoneutrale Zone, liegt zwischen – 4° C bis 16° C. Bei laktierenden Milchkühen kann die Kältetoleranz sogar bis -30° C und mehr betragen. In diesem Bereich können Kühe ihre Körpertemperatur problemlos aufrechterhalten. Ab einer Temperatur von 16° C müssen laktierende Kühe Stoffwechselwärme abgeben. Sie sind also sehr kältetolerant, aber wärmesensibel.
1. Trockene Wärmeabgabe
Kühe haben verschiedene Möglichkeiten, die Wärme über die sogenannte trockene Wärmeabgabe, also über Konvektion (Wärmeübertragung von der Körperoberfläche in die Luft, Abbildung 1), Radiation (Wärmestrahlung in die Umgebung, Abbildung 2) und Kondition (Wärmeleitung z .B. auf die Einstreu beim Liegen, Abbildung 3) abzugeben. Dies reicht jedoch spätestens ab einer Umgebungstemperatur von 20° C nicht mehr aus (Abbildung 4). Bei sehr hohen Temperaturen in der Umgebung, Sonneneinstrahlung oder wärmeabgebenden Oberflächen kann sich dies auch umkehren.




Beim Erreichen von Umgebungstemperaturen von über 20° C kann von Hitzestress für die Kühe gesprochen werden. Hitzestress ist aber nicht nur von der Umgebungstemperatur abhängig – neben der Umgebungstemperatur sind gleichermaßen die relative Luftfeuchte und die Windgeschwindigkeit zu berücksichtigen.

2. Feuchte Wärmeabgabe
Die sogenannte feuchte Wärmeabgabe beinhaltet „äußere“ Evaporation, also Schwitzen auf der Körperoberfläche (Abbildung 5) und „innere“ Evaporation, also Abgabe von Wärme über die feuchte Ausatemluft (Abbildung 6). Kühe können nur eingeschränkt schwitzen, da sie – v.a. im Bereich des Schulterblattes mit 760 Schweißdrüsen/cm“ relativ wenige Schweißdrüsen besitzen, als z. B. im Vergleich zu Pferden. Beim Rind besteht dagegen die Möglichkeit, über die feuchte Ausatemluft Wärme abzugeben – die Tiere beginnen, rascher zu atmen, um sich abzukühlen. Beide Formen der feuchten Wärmeabgabe sind durch die Luftfeuchtigkeit nur begrenzt möglich und über 30° C stark eingeschränkt.



Um den Hitzestress einschätzen und auf dessen Grundlage auch konkrete Maßnahmen ergreifen zu können, ist es notwendig, rasch zu erkennen, sobald Kühe in Hitzestress geraten. Hierfür können zwei leicht zu erfassende Indikatoren eingesetzt werden. Über das Erfassen der Körpertemperatur sowie der Atemzüge pro Minute lässt sich eine mögliche Hitzestress-Situation der Kühe bewerten.
In der thermoneutralen Zone haben Kühe eine Körpertemperatur von 38,5° C (+/- 0,5 °C) und atmen mit 25 – 35 Atemzüge in der Minute.
Bei länger anhaltendem bzw. starkem Hitzestress versuchen die Kühe durch die Veränderung ihres Verhaltens, die Körpertemperatur möglichst wenig zu erhöhen bzw. sich abzukühlen. Zunächst stehen sie auf, um mehr Hautfläche unter Luftzug zum Kühlen zu nutzen. Des Weiteren wird durch die Reduktion der Futteraufnahme der Anteil der abzuführenden Stoffwechselwärme minimiert werden. Diese Anpassungsmechanismen wirken sich drastisch auf das Allgemeinbefinden der Kühe und mit einer zeitlichen Verzögerung auch auf die Klauengesundheit aus.
Im Rahmen der Bewältigung von Hitzestress können einige Maßnahmen durchgeführt werden, um den Kühen das Leben bei hohen Temperaturen zu erleichtern.
Tränkemanagement
Mit steigenden Umgebungstemperaturen steigt bei laktierenden Kühen die Wasseraufnahme auf bis zu 150 Liter / Tag an. Wasser muss ausreichend zur Verfügung stehen und für alle Kühe leicht erreichbar sein. Tränkeanzahl, Tränkelänge und die Nachlaufgeschwindigkeit sind entscheidend für eine ausreichende Wasseraufnahme.
Wasser gehört zu den wichtigsten Futtermitteln für Milchrinder. Wasser ist deshalb immer zur freien Aufnahme und in ausreichender Qualität anzubieten. Als Faustregel gilt, dass min. 2 Tränken pro 20 Kühe plus 1 Tränke vorhanden sein sollten. Ein Tränkebecken, dass länger als eine Kuhlänge (≈ 2,40 m) ist, kann als zwei Tränkestellen gerechnet werden, da diese Tränke nicht von ranghohen Kühen blockiert werden können. Dies gilt auch für Trogtränken, die von zwei Seiten gegenüberliegend zugänglich sind. In Anbindehaltung wird ein Tier-Tränke-Verhältnis von 1 : 1 empfohlen. Siehe hier auch Modul „Wasserversorgung“.
Für mehr Luftstrombewegung im Stall sorgen
Eine Erhöhung der Luftstrombewegung im Stall kann sowohl durch Änderungen im Management als auch durch stallbauliche Veränderungen erreicht werden. So kann schon durch das Öffnen von Toren, Jalousien oder Curtains an den Seitenwänden eine Erhöhung der Luftkühlung erreicht werden. Ventilatoren sollten bereits ab 16° C bis spätestens 20° C Stalltemperatur mit einer automatischen Steuerung unterstützend eingesetzt werden. Ein Kühlungseffekt tritt ab einer Luftgeschwindigkeit von 2 m / Sekunde ein. Deshalb sollten die Ventilatorendurchmesser sowie die Abstände zwischen den Ventilatoren genau aufeinander abgestimmt sein, um eine ausreichende Kühlung im Stall zu schaffen. Bei der Berechnung der Wurfweite der Ventilatoren hilft die Faustformel: 10 cm Durchmesser des Ventilators bewirken 1 m Wurfweite des Luftstroms. Somit hat der Luftstrom eines üblichen Stallventilators mit einem Durchmesser von 1,20 m eine Reichweite von 12 m.
Ventilatoren sollten insbesondere über den Liegeboxenreihen und ggf. über den stehenden Kühen am Fressgitter angebracht werden. Dabei sollte die Luft über den Rücken der Tiere streichen.
Ein Stallklima-Check durch eine/n Berater/in ist hilfreich, um die Ist-Situation zu bewerten. Dabei wird unter anderem die Luftgeschwindigkeit und Windrichtung mit einem Anemometer, Rauchstäbchen oder Nebelmaschinen bestimmt. Die Unterstützung durch eine/n Fachberater/in ist vor allem beim Einsatz einer kombinierten Lösung, mit Hilfe von Wasser und Belüftung, zu empfehlen. So kann die Verdunstungskälte auf der Hautoberfläche, insbesondere am Rücken, zum Beispiel durch die Intervall-Schaltung zwischen Sprenkeln und Ventilation genutzt werden. Eine nicht fachgerechter „Beregnung“ der Tiere kann dagegen zu nachteiligen Auswirkungen auf die Tiergesundheit führen.
- Hitzestress hat Auswirkungen
- auf das Tier
- auf die Leistung
- auf die Klauen.
- Hitzestress kann reduziert werden
- durch Kuhkomfort (Ventilation, Liegen etc.)
- durch optimale Versorgung mit Futter und Wasser (Qualität, Zusammensetzung, Menge)
- durch zeitnahe, fachgerechte Klauenpflege (Entlastung, Vorbeuge, Behandlung).
Literaturnachweis:
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Geischeder S. (2017): Auswirkungen von Hitzestress auf Milchkühe der Rasse Fleckvieh unter bayerischen Klimabedingungen und Einfluss einer Unterstützungslüftung durch Ventilatoren. Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität, Tierärztliche Fakultät, 2017
Hitzestress bei Kühen (2023), in praxis-agrar.de, https://www.praxis-agrar.de/tier/rinder/hitzestress-bei-kuehen, letzter Zugriff:17.Januar 2023.
Nichelmann M. (1971): Der Wärmehaushalt beim Rind; In: Lyhs L. (Hrsg.), Der Wärmehaushalt landwirtschaftlicher Nutztiere; Gustav Fischer Verlag, Jena; S. 37 – 103.
Pelzer, A. (2018): Hitzestress: Kühlen statt Lüften, milchrind 4/2018, Seite 2 – 4.
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Tobr O., Loebsin C. , Sanftleben P. (2011): Untersuchungen telemetrisch erfassbaren Verhaltens sowie ausgewählter physiologischer und Stallklimaparameter bei Hochleistungskühen unter den Bedingungen moderner Außenklima-Laufstallhaltung zur Schaffung von Managementhilfen und Optimierungen der Tierumwelt; Forschungsbericht der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern, 1/12.