Therapeutische Maßnahmen der Klauenpflege

In den meisten Fällen wird man bei der Klauenpflege Läsionen in unterschiedlich starker Ausprägung finden, sodass zusätzlich zur Pflege auch kurative Maßnahmen, also die Durchführung eines therapeutischen Klauenschnittes, notwendig sind. Wenn der therapeutische Klauenschnitt alleine nicht ausreicht, kommen Klötze und Verbände zum Einsatz. Gegebenenfalls muss auch der Tierarzt hinzugezogen werden. Die praktische Durchführung eines Entlastungsschnittes als Therapiemaßnahme sowie Wissenswertes zu Verbänden und Klötzen zeigt das folgende Modul.

Der therapeutische Klauenschnitt

Die Schritte 1 bis 3 der Klauenpflege, also das Kürzen der Innen- und Außenklaue sowie das Anlegen der Hohlkehlung, sind rein kurative Maßnahmen. Sämtliche Defekte, die im Zuge dessen entdeckt werden, werden in Schritt 4 und 5 behandelt. So gehört die Versorgung von Krankheitsvorstufen, also Farbabweichungen und Einblutungen in die Sohle, zu Schritt 4. Das Ziel ist die Verminderung des Drucks auf die Lederhaut der erkrankten Klaue. Farbabweichungen und Defekte im hinteren Drittel der Sohle werden durch Ausdünnung dieses Bereichs bearbeitet, sodass das hintere Drittel über dem Boden schwebt. Dabei bleibt das vordere Drittel auf dem gleichen Niveau wie die Nachbarklaue. Aus diesem Grund wird diese Maßnahme auch als „Entlastungsschnitt“ bezeichnet.

Falls diese Maßnahme nicht ausreicht oder Defekte im vorderen Bereich der Klaue vorhanden sind, muss die Klaue durch Aufbringen eines Klotzes auf der Partnerklaue entlastet werden. Durch die Entlastung kann gesundes Horn nachwachsen und Defekte können schneller ausheilen.

Einblutungen und Farbabweichungen dürfen nicht mit einer natürlichen Sohlenfärbung verwechselt werden!

Im fünften Schritt wird loses Horn entfernt. Dabei geht es hauptsächlich um die Entfernung der V-förmigen Furchen der Ballenhornfäule. Durch das Schaffen einer glatten Oberfläche wird der Infektionsdruck vermindert.

Im folgenden Video zeigt Klauenpfleger Markus Stumpf, wie man bei einer Kuh mit mehreren Defekten an der Klaue einen Entlastungsschnitt durchführt. Hier wurde auf einen Verband zurückgegriffen, um die Behandlung einer Mortellaro-Infektion mit Salbe zu unterstützen.

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Wissenswertes zu Verbänden

Verbände sollen Wunden vor Verunreinigung und weiteren Verletzungen schützen. Unabhängig von der Verbandswahl müssen einige wichtige Grundregeln beachtet werden:

  • Verbände dürfen nur an trockenen, sauberen Klauen angebracht werden. Die Klaue muss vor dem Anlegen mit einer Bürste gereinigt werden.
  • Auch der Zwischenklauenspalt muss vor Anlegen des Verbandes gut kontrolliert und gereinigt werden.
  • Das verwendete Verbandsmaterial muss sauber und trocken sein.
  • Der Kronsaum, der Fesselbereich und der Zwischenklauenspalt müssen sorgfältig mit synthetischer, nicht saugfähiger Watte gepolstert werden.
  • Auf keinen Fall dürfen Verbände Druck auf die Afterklauen ausüben. Es kann sonst schnell zu schweren Schäden und zum Absterben des darunterliegenden Gewebes kommen.
  • Verbände müssen täglich überprüft und regelmäßig erneuert werden.

Verbände können entweder auf nur einer Klaue oder aber auf beiden Klauen angebracht werden, abhängig von der Art der Läsion. Möchte man einen Verband auf nur einer Klaue anbringen, zum Beispiel um ein Geschwür zu schützen, muss man beachten, dass ein Verband niemals die erkrankte Klaue über das Niveau der Partnerklaue hinaus erhöhen darf. Unter Partnerklaue versteht man die Nachbarklaue der beeinträchtigte Klaue. Ansonsten wäre die erkrankte Klaue einer noch stärkeren Belastung ausgesetzt, was unter allen Umständen zu vermeiden ist. Aus diesem Grund wird ein einseitiger Verband immer mit einem Klotz kombiniert.

Bevor man einen Klotz anbringt, muss unbedingt die Tragfähigkeit der Klaue überprüft werden. Eine Klaue ist dann tragfähig, wenn auf die Untersuchung mit der Klauenzange keine Schmerzreaktion erfolgt und die Klaue nicht über das Maß der Funktionellen Klauenpflege hinaus zugeschnitten werden muss, um eine Klebefläche für den Klotz zu erhalten.
Bild 1: Ein gut angelegter Verband mit Erhöhung der tragfähigen Klaue durch einen Klotz.

Falls der gesamte Fuß entlastet werden muss, wird ein Polsterverband angelegt (Bild 1). Ebenso ist er das Mittel der Wahl, wenn auf der Partnerklaue eigentlich ein Klotz angebracht werden müsste, dies aber nicht möglich ist, weil auch die Partnerklaue nicht tragfähig ist. Diese Verbände werden nicht nur im Fessel- und Zwischenklauenbereich gut gepolstert, sondern auch unter dem Sohlenbereich. Falls eine Unterscheidung möglich ist, wird die gesündere Klaue etwas mehr unterpolstert. In der Praxis haben sich zugeschnittene Teppichreste oder Gummimatten bewährt, die in den Verband eingearbeitet werden. Da sich Polsterverbände sehr schnell ablaufen, ist es sinnvoll, die Kuh auf Stroh aufzustallen. Dies fördert die Entlastung und macht das Laufen für das Tier angenehmer. Trotzdem muss der Verband täglich kontrolliert werden. Eine Alternative stellen Hartschalenverbände über dem Polsterverband dar, die allerdings auch täglich kontrolliert und regelmäßig zum Verbandswechsel geöffnet werden müssen. 

Das Vorgehen beim Anlegen eines Verbandes zeigt Dr. Andrea Fiedler im Modul Behandlung von Mortellaro im gleichnamigen Video.

Bild 2: Polsterung des Zwischenklauenspaltes
Bild 3: Anlegen eines gut gepolsterten Verbandes

Klotzen, nicht kleckern!

Ein weiteres wichtiges Utensil in der kurativen Klauenpflege sind Klötze. Sie werden eingesetzt, wenn die Entlastung durch den Klauenschnitt nicht ausreicht. Voraussetzung für das Anbringen eines Klotzes ist eine ausbleibende Schmerzreaktion bei der Untersuchung der Tragfähigkeit der Klaue. Dabei müssen auch minimale Reaktionen beachtet werden! Im Zweifel muss auf den Klotz verzichtet und ein Polsterverband angelegt werden (siehe oben).

Meistens ist die zu erhöhende Klaue die weniger belastete Klaue. Falls ein Klotz an der stark belasteten hinteren Außenklaue angebracht werden soll, muss man die Notwendigkeit sorgfältig abwiegen. Die Belastungsverhältnisse sind dann sehr ungünstig. Die Klotzgröße muss sorgfältig auf die Klaue abgestimmt sein. Ein gut gewählter Klotz schließt vorne mit der ordentlich gekürzten Klauenspitze ab und überragt die Fußungsfläche im hinteren Bereich in etwa um die Länge des halben Ballens. Der Klotz ist mindestens so breit wie die Sohlenfläche. Optimal sind Klötze, die durch Kleben an Wand und Sohle befestigt sind, da sie die Tragefunktion des Hornschuhs gut nutzen. In der Praxis haben sich keilförmige Klötze bewährt (siehe Bild 4). Sie rufen eine ähnliche Lastenverteilung wie der Entlastungsschnitt hervor. Allerdings können sie bei Spitzenverletzungen oder –geschwüren nicht eingesetzt werden. In dem Fall muss auf herkömmliche, ebenmäßig dicke Klötze zurückgegriffen werden.
Im Handel sind viele verschiedene Produkte erhältlich, die allen möglichen Klauenformen gerecht werden. Einige davon stellt Dr. Andrea Fiedler im Video „Medikamente und Hilfsmittel in der Klauenpflege“ vor. Relativ neu auf dem Markt sind die sogenannten Walkease. Sie sind elastisch und können auch auf dünne oder empfindliche Sohlen geklebt werden (Bild 5). Dabei unbedingt die Anwendungshinweise beachten!

Bild 4: Keilförmige Klötze entlasten den hinteren Ballenbereich noch besser
Bild 5: Elastische Kunststoffklötze (Walkease)

Eine typische Einsatzmöglichkeit für Klötze in Kombination mit einem einseitigen Verband ist die Entlastung eines Rusterholz’schen Sohlengeschwürs, wie es das folgende Video zeigt:

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Klötze, egal welcher Art, müssen nach 3 bis 4 Wochen entfernt werden, auch  wenn die meisten Klebesysteme länger als 4 Wochen halten. Es darf nicht abgewartet werden bis der Klotz von alleine abfällt. Klötze laufen sich unterschiedlich ab, sodass Druckstellen und damit neue Probleme entstehen können, wenn man sie nicht entfernt und/oder erneuert. Nach dem Entfernen wird eine Klauenpflege durchgeführt und die Druckempfindlichkeit beider Klauen überprüft. In den meisten Fällen reicht die Entlastung der geschädigten Klaue über 4 Wochen, um die Klaue so weit in Richtung Heilung zu schicken, dass sie wieder Last aufnehmen kann. Falls nicht, wird ein neuer Klotz angebracht.

!!! Achtung: Falls bei einer Kuh mit durch Klotz erhöhter Klaue plötzlich Lahmheiten auftreten, muss der Ursache sofort auf den Grund gegangen werden. Unter Umständen muss der Klotz dann sofort entfernt werden.
Bild 6: Angeschnittener Klotz auf einer geschädigten Klaue

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Auch beim Anbringen von Klötzen können gefährliche Fehler gemacht werden, wie Bild 6 zeigt. Die Klaue, auf die der Klotz geklebt wurde, ist ebenfalls lädiert und aus diesem Grund nicht tragfähig. Hier wurde versucht, die betroffene Stelle auszusparen, indem der Klotz beschnitten wurde, was zu gefährlichen Fehlbelastungen führt. In diesem Fall wäre ein Polsterverband das Mittel der Wahl gewesen.

Ein Online-Programm kann keinen qualifizierten Kurs ersetzen!

Die Wirkung der kurativen Klauenpflege sollte nicht unterschätzt werden. Viele Klauendefekte können durch eine optimale Druckentlastung geheilt werden. Jedoch können hier auch viele Fehler gemacht werden, sei es beim Anlegen des Verbandes, beim Anbringen des Klotzes oder bei der Wahl der falschenTherapiemaßnahme im Allgemeinen. Aus diesem Grund sollte man Klauendefekte nur behandeln, wenn man über das nötige Wissen verfügt. Viele landwirtschaftliche Institutionen bieten inzwischen hochwertige Kurse zur Klauenpflege und anderen Themen der Klauengesundheit an. Fragen Sie bei Ihrem LKV oder wenden Sie sich an die aufgelisteten Ausbildungszentren und Interessenvertretungen im PDF.

Die zitierte und verwendete Literatur finden Sie im Impressum.

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